Von Annemarie Schlappinger bis Gudrun Zollner
Die Frauen-Union Niederbayern hat in Straubing ihr 60. Jubiläum gefeiert
Die Frauen-Union Niederbayern hat am 1. September 2017 im Rittersaal des Straubinger Herzogschlosses ihr 60. Jubiläum gefeiert. In ihrer Festrede erinnerte Prof. Dr. Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung und Staatsministerin a. D., an wichtige, aber fast vergessene Politikerinnen-Persönlichkeiten der Nachkriegszeit. Bezirksvorsitzende Gudrun Zollner, MdB, schlug einen Bogen von der Gründung der niederbayerischen Frauen-Union im Jahr 1957 bis zu aktuellen frauenpolitischen Erfolgen.
Es war der 21. März 1957, als in Plattling der Bezirksverband Niederbayern der damaligen „Frauenarbeitsgemeinschafft“ in der CSU gegründet wurde. Die Gründungsvorsitzende war Annemarie Schlappinger aus Straubing. „Deshalb feiern wir unseren 60. Geburtstag auch in Straubing“, so Gudrun Zollner in ihrem historischen Rückblick. Da aus jener Zeit nur sehr wenige Dokumente erhalten seien, konnte Zollner als „Gründungsurkunde“ lediglich die Anwesenheitsliste dieser Gründungsversammlung präsentieren.
„Frauen sind der verborgene Schatz der Politik“
Annemarie Schlappinger sei ein Glücksfall gewesen, schilderte Gudrun Zollner. Sie werde als selbstbewusste und kämpferische Politikerin geschildert. Das lasse sich an diesem, ihr zugeschriebenen Zitat ablesen: „Frauen sind der verborgene Schatz der Politik. Ohne Frauen ist auch in Zukunft kein Staat zu machen.“
Aus Mangel an Dokumenten sei leider bis heute auch nicht bekannt, so Zollner weiter, wer die Vorsitzende der Jahre 1959 bis 1961 gewesen ist. 1961 bis 1963 jedenfalls habe Amia von der Heydte-Montgelas aus Vilsbiburg die niederbayerischen Frauen geführt. Aus anderen Dokumenten wisse man, dass 1963 die Deggendorferin Helene Mraz den Vorsitz übernommen und diesen bis 1973 innegehabt habe
Als Reaktion auf die 68-er konzentrierte sich die Frauen-Union darauf, Forderungen in konkrete Politik umzusetzen. Seit 1973 haben deshalb in Niederbayern nur noch Abgeordnete den Bezirksvorsitz inne gehabt. So lange wie keine Frau vor und bislang auch nach ihr tat dies von 1973 bis1995 Marianne Würdinger aus Kehlheim. Die Landtagsabgeordnete a. D. erhielt wegen ihres unerschrockenen und kämpferischen Einsatzes bereits damals von Erwin Huber, seinerzeit Staatskanzleiminister, den Beinamen „Mutter Courage der CSU“, erinnerte Gudrun Zollner.
Auf sie folgte 1995 die Landshuter Landtagsabgeordnete Ingeborg Pongratz. Unter ihrer Führung wurden so wichtige Initiativen gestartet wie das Mentoringprogramm, das erfolgreichste Frauen-Nachwuchsprogramm der CSU überhaupt. In bis heute sechs Staffeln wurden zahlreiche Frauen ganz unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen Lebenssituationen von erfahrenen Mentorinnen an das politische Ehrenamt herangeführt.
2009 übergab Ingeborg Pongratz. MdL a. D., den Führungsstab an die Rottaler Landtagsabgeordnete Reserl Sem. Sie hatte sich unter anderem vehement für eine Frauenquote innerhalb der CSU eingesetzt, die schließlich 2010 Wirklichkeit wurde. Und sie war es, die den Sommerempfang unter das Motto „Frauen mit Hut“ stellte – inzwischen treffen sich dazu jährlich über 150 Frauen aus ganz Niederbayern.
Ein Dauerbrenner: Das Ringen um Mandate für Frauen
Gudrun Zollner garnierte ihren Rückblick regelmäßig mit durchaus aktuellen Anekdoten aus der Vergangenheit. So warb Annemarie Schlappinger bereits 1958 bei den männlichen Mitgliedern der Bezirksversammlung der CSU Niederbayern darum, dass die Landtagskandidatin Amia von der Heydte-Montgelas doch bitte einen sicheren Listenplatz auf einem vorderen Platz erhalten möge. Eine Situation, durchaus vergleichbar mit ihrer eigenen: Denn auch Gudrun Zollner zog vor vier Jahren – wie alle bisherigen, lediglich drei weiblichen Bundestagsabgeordneten aus Niederbayern – über die Liste in den Bundestag ein. Und auch bei der kommenden Bundestagswahl am 24. September bleibt ihr nur der Versuch, wieder über die Liste ins Parlament zu gelangen.
Auch die Mitgliederwerbung ist ein „Dauerbrenner“ der FU. Annemarie Schlappinger wies bereits ein Jahr nach der Gründung in einem Brief darauf hin, dass die Niederbayern bereits der zweitgrößte Verband Bayerns der damaligen FAG seien, so Gudrun Zollner. 2015/2016 sei eine äußerst erfolgreiche Mitgliederwerbe-Aktion durchgeführt worden. Die Kreis- und Ortsverbände hätten dabei hervorragende Arbeit geleistet: „141 neue Mitglieder wurden innerhalb eines halben Jahres geworben.“
Wie wichtig viele Frauen im Bundestag seien, das zeigte Gudrun Zollner, die 2015 den Vorsitz der Frauen-Union Niederbayern von Reserl Sem übernommen hatte, an den vielen frauenpolitischen Erfolgen der zu Ende gehenden Legislaturperiode: Von der ersten Stufe der Mütterrente und dem Entgelttransparenzgesetz über eine Frauenquote in Aufsichtsräten und einem verschärften Sexualstrafrecht bis zum modernisierten Mutterschutz und einem wesentlich erweiterten Unterhaltsvorschuss seien außerordentlich viele gute Gesetze für Frauen auf den Weg gebracht worden.
Blumen für die ehemaligen Bezirksvorsitzenden Würdinger und Sem
Zum Abschluss ihres Vortrages bedankte sich Gudrun Zollner bei den anwesenden ehemaligen FU-Bezirksvorsitzenden Marianne Würdinger und Reserl Sem mit einem Blumenstrauß. Auch Ingeborg Pongratz hatte sich für den Festabend angemeldet, musste wegen einer Erkrankung allerdings leider kurzfristig absagen. „Die Politik ist eine zu ernste Sache, als das man sie allein den Männer überlassen könnte“, endete die Bezirksvorsitzende.
Ein kleines, aber feines „Geburtstagsgeschenk“ hatte Prof. Dr. Ursula Männle in ihrem Festvortrag dabei. Nämlich mit Maria Deku eine bislang fast völlig unbekannte Landtagsabgeordnete aus der Oberpfalz, das damals noch gemeinsam mit Niederbayern gewertet worden sei. Deku habe nicht nur dem Landtag, sondern auch dem Vorparlament und der verfassungsgebenden Versammlung angehört. Obwohl es dort auch viele männliche Gegenstimmen gegen einen bayerischer Staatspräsident gegeben habe, sei es nur ihr negativ angerechnet worden.
Es sei die Pflicht und Schuldigkeit der Frauen-Union, an diese bedeutenden Nachkriegspolitikerinnen zu erinnern. Als weiteres Beispiel diente Prof. Ursula Männle die spätere erste Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Maria Probst. Mit sichtlichem Vergnügen erzählte sie, dass Probst einen Ehrennamen und einen weniger schmeichelhaften Spitznamen gehabt habe. Bei den Menschen habe sie „Maria Hilf“ geheißen, weil sie vor allen Dingen unendlich viel für die Kriegsopfer erreicht habe. Nicht umsonst hat Bundeskanzler Konrad Adenauer sie deshalb sogar einmal als „die teuerste Frau des Bundestages“ tituliert. Bei den Behörden dagegen sei sie als „Maria Heimsuchung“ bezeichnet worden, weil sie sich so hartnäckig für die Bürgerinnen und Bürger eingesetzt habe.
Als nächstes, kündigte Männle an, werde sie sich in einem Buch mit Mathilde Berghofer-Weichner befassen, die so viel für die Frauen in der CSU erreicht habe. In vielen Ämtern und Aufgaben sei sie die erste Frau überhaupt gewesen: erste stellvertretende Parteivorsitzende, erste Staatssekretärin und die erste Staatsministerin.
Ursula Männle verriet in ihrer Festrede außerdem: Als es um die Frauenquote gegangen sei, da sei sie gegen eine solche Quote gewesen. Warum? „Weil es doch um Qualität gehe“, so die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung. Inzwischen aber sehe sie, dass bei Männern eigentlich nie nach der Qualität gefragt werde. Inzwischen habe die CSU zwar eine Frauenquote von 40 Prozent, aber leider nur auf Bezirks- und Landesebene. Sie bedaure sehr, dass es damit dort, wo es um die Macht gehe, nämlich in den lokalen Delegiertenversammlungen, keine Quote gebe.
„Wir müssen dorthin, wo Entscheidungen fallen“
Und damit sei auch klar, so die ehemalige FU-Landesvorsitzende, dass es die Frauen-Union auch in Zeiten der Emanzipation noch brauche. Zwei ihrer drei Aufgaben habe die Arbeitsgemeinschaft erledigt: Frauen für die Politik der CSU zu gewinnen. „Noch immer wählen mehr Frauen als Männer die CSU. Die Frauen wissen, worauf es ankommt.“ Auch das Einbringen von Anliegen der Frauen in die CSU funktioniere ganz gut, wie die politischen Erfolge zeigten. Nachholbedarf gebe es noch bei den Mandaten. Prof. Ursula Männle: „Wir müssen dorthin, wo Entscheidungen fallen, vom Gemeinderat bis zum Europaparlament.“
Maria Stelzl als 2. Bürgermeisterin der Stadt Straubing begrüßte die Festgäste im Rittersaal des Schlosses, fand aber dennoch auch politische Worte. Angesichts der vielen „Machos“ in der Weltpolitik rühmte sie Bundeskanzlerin Angela Merkel, die stets ruhig und sachlich bleibe und nie ausfällig werde. Davon könnten sich die Männer eine Scheibe abschneiden.
Ein ausführliches Grußwort sprach Bundestagsabgeordneter Alois Rainer, der unter anderem die Frauen aufforderte, sich aktiv um Ämter und Mandate zu bewerben. Damit zog er sich aber einen Zwischenruf von Gudrun Zollner zu, die durchaus mit einem Schmunzeln anmerkte: „Lieber Alois, wir wollen halt manchmal auch gefragt werden.“
Ganz zu Beginn hatte Bezirksvorsitzende Gudrun Zollner als weitere Ehrengäste die Spitzenkandidatin der FU Bayern für die Bundestagswahl, Dr. Astrid Freudenstein, MdB, aus Regensburg, Schwester Angela vom Ursulinenorden sowie die beiden Landtagsabgeordneten Hans Ritt und Josef Zellmeier begrüßt. Da Alois Rainer und Josef Zellmeier zudem Fördermitglieder der Frauen-Union sind, konstatierte Zollner. „Wir machen Politik mit den Männern, nicht gegen sie.“
„Die Bundestagswahl ist Damenwahl“
Als Vorsitzende des gastgebenden FU-Kreisverbandes Straubing-Stadt blieb es Hannelore Christ vorbehalten, den offiziellen Teil zu beenden. Sie nutzte die Gelegenheit, auf die Wichtigkeit der Zweitstimme bei der anstehenden Bundestagswahl hinzuweisen. Die Zweitstimme entscheide nicht nur über die Zusammensetzung des nächsten Parlaments, sondern verhelfe vielen Frauen, darunter auch der niederbayerische FU-Bezirksvorsitzenden Gudrun Zollner, als einzige Möglichkeit in den Bundestag einzuziehen. „Die Zweitstimme ist die Frauenstimme und die Bundestagswahl ist Damenwahl“, so Hannelore Christ abschließend.