Bayern ist kein Stadtstaat
MdB Gudrun Zollner erklärt in einem Interview, weshalb Jugendwohnheime für alle Jugendlichen offen bleiben müssen

Das Jugendwohnheim Deggendorf hat am vergangenen Freitag, 7. Juli 2017, sein 10. Jubiläum gefeiert. Gabriele Riffert von der Pressestelle des Katholisches Jugendsozialwerks München e. V. hat diese Gelegenheit genutzt, um die niederbayerische Bundestagsabgeordnete Gudrun Zollner zu interviewen.
Frau Zollner, Sie nehmen heute an der Feier des zehnjährigen Bestehens des Jugendwohnheims Deggendorf des KJSW, des Katholisches Jugendsozialwerk München e. V., das der Träger des Jugendwohnheims Deggendorf ist, teil. Dabei hätte es dieses Jugendwohnheim und viele andere fast bald nicht mehr gegeben. Was ist da passiert?
Gudrun Zollner, MdB: Das hatte mit der Reform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes im Sozialgesetzbuch VIII zu tun, über das wir im Bundestagsausschuss für Familie, Frauen, Senioren und Jugend intensiv diskutiert haben. Der Entwurf enthielt mehrere problematische Paragrafen, unter anderem § 13, 3. Er sah vor, dass künftig nur noch Jugendliche mit sozialpädagogischem Förderbedarf aufgrund sozialer Benachteiligung, individueller Beeinträchtigung oder mangender sozialer Integration in Jugendwohnheimen hätten wohnen dürfen. Nun ist Bayern aber ein Flächenstaat. Hier leben auch „ganz normale“ junge Leute in Jugendwohnheimen, deren Ausbildungsplatz unzumutbar weit weg von Ihrem Zuhause ist, oder die Blockunterricht in der Berufsschule haben.
Das wäre künftig unmöglich gewesen. Das Jugendwohnheim hier und viele andere hätten schließen müssen.
Sie haben sich stark dafür eingesetzt, dass hier alles so bleibt, wie es ist.
Gudrun Zollner, MdB: Ich wurde von Ludwig Weber, der das Katholische Jugendsozialwerk in Landshut leitet, zu dem auch das Deggendorfer Jugendwohnheim gehört, auf die Problematik aufmerksam gemacht. Dann bin ich sofort tätig geworden, damit diese Änderung nicht in Kraft tritt, denn sie wäre wirklich schlecht für die Region gewesen. Ich sehe es als gewählte Volksvertreterin als meine Aufgabe an, die Anliegen der Menschen von hier zu vertreten. Man kann einen Flächenstaat nicht mit einem Stadtstaat vergleichen. In einem kleinen Stadtstaat ist es natürlich möglich, dass junge Leute mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Ausbildungsplatz und in die Berufsschule fahren. In einem Flächenstaat geht das ganz oft nicht. Dann muss man die Möglichkeit schaffen, dass Auszubildende während ihrer Bildungsmaßnahmen eine Wohnmöglichkeit finden, wie etwa hier im Jugendwohnheim Deggendorf.
Doch es ist noch einmal gut gegangen.
Gudrun Zollner, MdB: Der Bundestag hat das Gesetz im Sinne der Jugendwohnheime verabschiedet.
Dadurch bleibt alles, wie es ist. Und die Jugendwohnheime in Bayern bleiben auch für Jugendliche ohne sozialpädagogischen Förderbedarf offen.